Das unbeschränkt kreative Vermögen von Resonanzräumen
Von einem deftig erotischen Triebschlangenabenteuer mithilfe eines Formwechselspiels zwischen Malerei und Skulptur - „Atelier Emozioni“, so der Name des Projekts für die Einzelausstellung Anfang 2013 in der Hamburger Galerie Feinkunst Krüger – hat Jessica Halm den Weg in einen transformierenden Nachhall dieser Erregungen gebahnt. Dieser stützt sich einerseits auf sehr weit entfernte historische Referenzen, altägyptische Kunst und deren Hieroglyphen, andererseits auf näher liegende, wie die Malerei des Impressionismus.
Skulptural ist der Solitär eines schaurig faszinierenden Schlangenmonsters - „Puppe“ aus der früheren Ausstellung - nun von einem gelassen auf seinen Thronen sitzenden ägyptisierenden Figurenpaar abgelöst worden, einer Nachbildung von Rahotep und Nefret, Skulpturen eines Ehepaars aus der IV.Dynastie des Alten ägyptischen Reiches. Deren eingelegte Glasaugen wirkten noch auf die Ausgräber des späten 19.Jahrhunderts derart bannend, als sie die Mastaba bei Meidum in Unterägypten öffneten, dass sie augenblicklich erschreckt das Weite suchten. Jessica Halms Paar mag einen Schock aufgrund der Farbe auslösen – monochromes Zitronengelb für die Throne und ebenso rundum für die aus Stoff zusammengenähten und nachträglich eingefärbten – Öl auf Leinwand - Figuren. Geht man die Längsachse der diesjährigen Ausstellung in Ralf Krügers Galerie, „The Limited Powers of Retention“ entlang, wird man schon von weitem von der enormen Leuchtkraft der tief in das Trägermaterial eingesunkenen, samtig schimmernden Ölfarbe angezogen. Und sobald man nicht mehr nur die Füße mit den gespreizten dicken Zehen sieht, sondern das ganze Paar in seiner Ausstrahlung, stolpert man optisch über ein zunächst verstecktes Paar tiefrot leuchtender Füße mit überlangen knöchernen Zehen, die mit ihrer fühlerartigen Ausrichtung so ansteckend wirken, als habe man sich selbst ertappt auf einem vorwitzigen Weg. (...)
Die taktile Präsenz von Jessica Halms früheren Arbeiten ist in der neueren Werkgruppe optischen Resonanzen gewichen, einer künstlerischen Handhabung ihrer Bildmittel, die nicht allein den Umgang mit Farblicht und zeichnerischen Formen betrifft, sondern in Malerei und - neu in ihrem Werk - Monotypien auch den Umgang mit Bildmotiven. Hierfür scheint noch einmal ein Zweig der ägyptischen Kunst eine auslösende Rolle gespielt zu haben, nämlich deren hieroglyphische Bilderschrift.
So gibt es unter den Monotypien ein Blatt – „An ancient Tale“ - mit in Zeilen aufgereihten modernen Hieroglyphen, skizzenhaften Zeichnungen, die mal kenntlich wie erste Ideen für Bilder oder Skulpturen wirken, mal in ihrer szenischen Syntax anspielungsreich erzählerische Zusammenhänge in der Schwebe halten. (...)
Auf vielschichtige Weise sind die bildhauerischen, malerischen und drucktechnischen Werke in Jessica Halms aktueller Ausstellung ikonographisch und optisch miteinander verknüpft. „The Limited Power of Retention“ war schon das Thema des waghalsigen Ausbruchs aus der „Power of Retention“ in ihrer vorigen Einzelausstellung. Die aktuelle Schau konfiguriert die Ambivalenzen des Leidenschaftlichen auf eine neue Weise, die – so könnte man sagen –Betrachter in eigene offene Fragen mit Zuversicht, Wärme und Humor verstrickt. Das Band, was die so weit in historische und sensible Bereiche motivisch ausgreifenden Werke verbindet, ergibt sich aus dem Resonanzraum, der als optisches Medium die Dinge in lustvolle Schwingung versetzt. Die Schatten aus Platons Höhle, auf die mit dem Titel einer Werkgruppe der Monotypien „A und E und das Höhlengleichnis“ angespielt wird, in der sich das eingangs erwähnte Hieroglyphenblatt, das ägyptische Paar, seine modernen Gegenstücke, sowie deren weiße Schatten wiederfinden, werden nicht als illusionär herabgesetzt. Im Gegenteil, sie fesseln noch immer – Repräsentanten der nicht auszulöschenden Stimme des Begehrens.
Auszug aus "Limited Powers of Retention" von Ursula Panhans-Bühler
1999-2006 Studium an der Hochschule für angewandte Wissenschaften im Fachbereich Gestaltung,
Hamburg
2004 Geburt von Tochter Lola Halm
2006 Diplom im Fachbereich Gestaltung
2009 Geburt von Sohn Samuel Halm
2012-2015 Lehrauftrag für Malerei an der H.A.W. in Hamburg
FÖRDERUNGEN/PREISE
2014 „CALL“ Förderpreisträgerinnen Arthur Boskamp- Stiftung
2011 Café Royal Werk Katalog Förderung
2010 Projektförderung Kulturbehörde Hamburg
Einzelausstellungen
2015 „The limited Powers of Retention“ Galerie Feinkunst Krüger, Hamburg
2013 „Atelier Emozioni“ Galerie Feinkunst Krüger, Hamburg
2012 TROPEN 4 „Die Blaue Blume und die alte Heckenschere“ Institut, Berlin
2010 „CHATEAU D´ HALM“, Westwerk in Kooperation mit Feinkunst Krüger,Hamburg
2007 „Wie war ich?“ Galerie Feinkunst Krüger, Hamburg
2006 „Die Humankapitalistin- Beobachtung,,Erkenntnis und Vision
einer deutschen Mutter“ im S.K.A.M.raum, Hamburg
GRUPPENAUSSTELLUNGEN
2016
„Petersburger Salon/Artwalk“ Fleetstreet Theater, Hamburg
„25 Spezialitäten aus Hamburg// Feinkunst Krüger“ Galerie Borssenanger, Chemnitz
„Bühnenwelten, Scheinwelten“ Künstlerhaus Sootbörn, Hamburg
„Akrobat im Leben“, Galerie der Schlumper, Hamburg
2015
„Xanadu“ Palais für aktuelle Kunst, Glückstadt
„Feministische Avantgarde der 1970er Jahre“ mit CALL, AUDIOCALL-zine, Kunsthalle Hamburg
„Die Welt ist Gans: Von A-Z, Enzyklopidäische Grub-Schau der Scheinheiten“ mit der Künstlerinnenplattform CALL Galerie Melike Bilir, Hamburg 2014 „Salon I“ Galerie Aplanat, Hamburg
„On Painting I“ Frappant Galerie, Hamburg
„Zurück in den Planeten Gala“, Das grosse Glas, Golem, Hamburg
„CALL-Stein in my Mind“ Förderpreisträgerinnen 2014, Arthur Boskamp-Stiftung M.1, Hohenlockstedt
„Poster-Show“ Institut, Berlin
„The Hunger Prints“ Aktion 43 mit Suse Bauer, Projektraum 2025 e.V., Hamburg
„Outdoor“ Galerie der Schlumper, Hamburg
2013
CALL „Macht und Gewohnheit“ Gängeviertel, Hamburg
„Moorende Bauernfrühstück“ Galerie Feinkunst Krüger, Hamburg
„Gala 2025-Wer mehr hat, hat gewonnen“ Projektraum 2025 e.V., Hamburg
„All Dimensions in Meter“ Galerie Feinkunst Krüger, Hamburg
2011
„Wash Then Dance“ Galerie Diane Kruse, Hamburg
2010
„Porträt:Grundlagen, Techniken und Motive“ Institut, Berlin
„Dieter“ Hinterconti, Hamburg
„Scherenschnitte 3“ Oberhafenkantine, Hamburg
„Of The Wall“ Institut, Berlin
2009
„Fettdecke“ Atelier Beerenweg, Hamburg
„Kunstleben im Hamburger Gängeviertel“, Galerie Kunstleben, Hamburg
„Wir sind wo anders“ Atelier Beerenweg, Hamburg
2008
„10 Jahre Feinkunst Krüger“ Westwerk, Hamburg
„I Want Everything To Be Perfect“ KKB,Berlin
„Our Gift to the World“ KKB, Berlin
2006
„I.W.M. international Worldman“ Galerie Kunstleben, Hamburg
KATALOGE/EDITIONEN
2016 „Lagern Sie keine Luft“ Künstlerbuch 10 Exemplare, Hamburg
2015 „The limited Powers of Retention“ Katalog Einzelausstellung Feinkunst Krüger, Hamburg
2014 „CALL II- Somebody needs to make a call“ Förderpreisträgerinnen Arthur Boskamp-Stiftung
2013 „Atelier Emozioni“ Katalog Einzelausstellung Feinkunst Krüger, Hamburg
2010 „Old Spice“, Hamburg
„Scherenschnitte II“, Hamburg